Moritz Valentin Hoesch

Moritz Valentin Hoesch
moritz.hoesch@uni-bamberg.de
Dissertationsprojekt
Feuer und Fortschrittsdiskussion – oder: Die Arbeit am Prometheus-Mythos in der griechischen Literatur
„Unter allen Phänomenen ist das Feuer wahrhaft das
einzige, dem sich mit der gleichen Bestimmtheit die
entgegengesetzten Werte zusprechen lassen:
das Gute und das Böse.“
– G. Bachelard
‚Den‘ Mythos des Prometheus – diese Feststellung ist gewiss nicht nur postmodern! – gibt es nicht. Doch es kommt noch ‚schlimmer‘ (bzw. noch ‚besser‘): Nehmen wir nämlich einen Vergleich der verschiedenen Varianten des Mythos in der griechischen Literatur vor, so sehen wir, dass die Dichter[1] nicht einmal in der grundlegenden Frage, was der Feuerraub des Prometheus für den unmittelbar davon Betroffenen – den Menschen! – bedeutet, Konsens erzielen konnten: Ist der Feuerraub des Prometheus als ein fataler Frevel wider die Götter zu deuten, dessen Konsequenzen ‚Pandora‘ und ‚Ende eines einstigen Goldenen Zeitalter‘ heißen [so Hesiod]? – Oder war das Feuer des Prometheus vielmehr die (notwendige) Bedingung der Möglichkeit für menschliche Kultur, für Technik, ja für des Menschen Emanzipation von seiner biologischen Mangelnatur und damit Anstoß einer großen Fortschrittsgeschichte [in dieser Weise (Ps.)-Aischylos; Platon-Protagoras]? – Oder verhält es sich noch einmal anders: Waren das prometheische Feuer und die daraus hervorgegangene Technik letzten Ende nicht vor allen Dingen eines: verantwortlich dafür, dass der ‚moderne‘ Mensch sich immer weiter von seiner einstigen, eigenen, ja eigentlichen Natur entfremdet [so über Prometheus Diogenes/Dion von Prusa]?
Die Dissertationsschrift will den Hintergründen des Umstandes, dass der Feuerraub des Prometheus bereits in der griechischen Antike derart unterschiedlich, ja konträr gedeutet worden ist, sowohl literaturwissenschaftlich als auch literaturtheoretisch stärker Rechnung tragen, als dies bislang in der Forschung geschehen ist: Wie nämlich kann ‚ein und derselbe‘ Mythos, geschichtsphilosophisch gesehen, sowohl Aszendenz- als auch Deszendenzmodelle zum Ausdruck bringen? Welche Rolle spielen der jeweilige Kontext, die Gattung und die poetisch-philosophische(n) Intentionalität(en) für die spezifische Gestalt eines in der Literatur verarbeiteten Mythos? Und vor allem: Welche Funktion hat der ‚Mythos‘ überhaupt, wenn er doch letztlich – zumindest scheinbar! – ‚so oder so‘ interpretiert werden kann?
[1] Das oben verwandte Maskulinum ist im Übrigen kein rein generisches, sondern durchaus auch biologisch-sozial zu nehmen.
Betreuerin
Prof. Dr. Sabine Vogt (Klassische Philologie/Gräzistik)
Vita
2015-2023
Studium der Griechischen und Lateinischen Philologie sowie der Philosophie, ferner der Germanistik, Geschichte und Erziehungswissenschaften an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg
2020
Bachelor of Arts (Hauptfach: Gräzistik; Nebenfächer: Philosophie; Latinistik)
2021
Master of Arts (Klassische Philologie)
2019-2023
Staatsexamina (Lehramt/Gymnasium) in den Fächern Erziehungswissenschaften [2019], Latein [2022], Griechisch [2022] und Philosophie/Ethik [2023].
seit 2020
Lehrbeauftragter am Sprachenzentrum der Universität Bamberg für das Fach ‚Latein‘
2022
Vertretungslehrer am E.T.A. Hoffmann-Gymnasium (Bamberg)
seit 2022
Promotionsstudium an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg bei Prof. Dr. Sabine Vogt im Rahmen der Bamberger Graduiertenschule für Literatur, Kultur und Medien
Forschungsinteressen
- (Antike und moderne) Literaturtheorie, inkl. Fragen der Interpretationstheorie
- Antike Mythologie und moderne Mythosforschung (insbes. Hylistik/Stoffwissenschaft)
- Ambiguität und Mehrfachkodierung in der Literatur
- Archaisches Epos
- Griechische Philosophie (insbes. Vorsokratik; Platon)
- Attische Tragödie
- Lateinische Dichtung (insbes. Neoterik/kallimacheische Dichtung und Liebeselegie)
- Poetologie und (Meta-)Fiktionalität
- Rezeption der Antike (insbes. bei Nietzsche)
- Motiv-, Ideen- und Geistesgeschichte
Publikationen
– „Lysias im Spiegel von Sozial- und Rentenpolitik, Demokratiekompetenz und alternative facts“, in: Forum Classicum, 2020, 1, 61f. (zusammen mit Michael Zeitler).
– „Die Antinomie von absolutem Schicksal und Schuld in Sophokles’ König Ödipus – und wie sie sich auflösen lässt: Ein diskursanalytischer Versuch, die Kluft in der OT-Forschung zu genetisieren, zu problematisieren und zu überwinden“, in: Eisodos. Zeitschrift für Literatur und Theorie (zur Publikation angenommen).
Vorträge
– „Überlegungen zu Schuld und Schicksal in Sophokles’ Oedipus Rex“ (im gräzistischen Forschungskolloquium der Otto-Friedrich-Universität Bamberg [05.07.2019]).
– „Προμηθεὺς ποικίλος oder die Figur des Prometheus als Symbol für die Dialektik der griechischen Aufklärung“ (im gräzistischen Forschungskolloquium der Otto-Friedrich-Universität Bamberg [31.01.2020]).
– „Literaturtheoretisches und Literaturkritisches zum platonisch-protagoreischen ‚Kulturentstehungsmythos‘“ (im gräzistischen Forschungskolloquium der Otto-Friedrich-Universität Bamberg [19.07.2021]).
– „Der Prometheus-Mythos und die Ressourcentheorie“ (im gräzistischen Forschungskolloquium der Otto-Friedrich-Universität Bamberg [24.06.2022]).
– „König Ödipus – Proto- oder Anti-Hermeneus?‘“ (auf einer komparatistischen Tagung der Ludwig-Maximilians-Universität München im Kloster Weltenburg zum Thema ‚Interpretationstheorie‘ [08.07.2022]).
– „Der Prometheus-Mythos als ‚Ressource‘? – oder: Prolegomena zu einer literaturwissenschaftlichen Theorie des Mythos“ (bei der Studierendentagung des ‚AK Philosophie‘ der Otto-Friedrich-Universität Bamberg [05.08.2022]).
– „Der Prometheus-Mythos und die Tübinger Ressourcentheorie“ (im gräzistischen Oberseminar bei Prof. Dr. Irmgard Männlein-Robert an der Eberhard Karls Universität Tübingen [08.12.2022]).
– „Close lecture zum platonisch-protagoreischen ‚Kulturentstehungsmythos‘“ (Gastdozentur an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg im gräzistischen Seminar „Griechische Sprach- und Stilanalyse“ [7.12./14.12./21.12.2022]).
– „Prometheus and the Theft of Fire in Plato’s Protagoras – a Hyleme Analysis“ (im Rahmen der Young Researchers Conference ‚New Approaches to Myths‘, ausgerichtet von der DFG-Forschungsgruppe 2064 ‚STRATA‘ an der Universität Göttingen [10.03.2023]).
– (vrstl.:) „‚Autonom oder funktional?‘ Literaturtheoretische Gedanken zum ‚Kulturentstehungsmythos‘ des platonischen Protagoras“ (im Rahmen des Workshops „Theorie und Text – Moderne Forschungskonzepte und antike Literatur“ an der Christian-Albrechts-Universität Kiel [21./22.09.2023]).